Glyphosat verursacht Antibiotikaresistenz
von Volker Stoldt
Waren die Krebsstudien nur ein Ablenkungsmanöver? AGNU-Mitglied Dr. Volker Stoldt, Zell- und Mikrobiologe an der Uni Düsseldorf und Experte für Biostoffgemische und Biofilme, gewährt uns einen kurzen Blick auf ein brisantes Medizinthema und in die Trickkiste der Agrochemie.
Die Beweisführung zur krebsfördernden Wirkung einer Substanz ist aufwendig und selten frei von Einwänden. Besonders die Vergleichbarkeit von Studien und ihre Statistiken werfen regelhaft Fragen auf. Dies zu nutzen, ist in Abhängigkeit der Interessen weder abwegig noch neu. Im Fall des jetzt EU-weit fortlaufenden Glyphosateinsatzes war es leider erfolgreich.
Ein durch die EU in Auftrag gegebener Prüfungsbericht, zur Frage ob Biozide Auswirkungen auf die Antibiotikaresistenz haben, endete mit einem zweifelsfreien „JA“ (1). Diese, für Mikrobiologen absehbare Bewertung aus dem Jahr 2009, hatte für die Biozidhersteller und -entwickler nachhallende weil teure Konsequenzen. Denn die Beurteilung über die Entwicklung von Resistenzen bzw. Kreuzresistenzen gegen Antibiotika ist heute gemäß der Biozid-Verordnung (2) ein Ausschlusskriterium der Zulassung neuer Biozide. Neue Biozide herzustellen und zu vermarkten ist somit aufwendig und erheblich kostenintensiver geworden. Daher will die Industrie an alten Bioziden festhalten.
Unter dem seit 2013 rechtskräftigen Regelwerk würde Glyphosat heute keine Zulassung mehr erhalten. Denn Glyphosat lässt Bakterien, darunter auch menschliche und tierische Krankheitserreger, die vormals empfindlich gegenüber Glyphosat waren, auch resistent gegenüber klinisch bedeutsamen Antibiotika werden (3).
Van Brugger et al. (4) fassen die Resistenz-Problematik in einem aktuellen Artikel zusammen. Diese Resistenz beruht regelhaft nicht auf spontanen Mutationen der bakteriellen 5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat-Synthase (EPSPS), einem für die Biosynthese aromatischer Aminosäuren (Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan) wichtigem Enzym und Wirkort des Glyphosates, sondern basiert auf alternativen Resistenzmechanismen. Denn Bakterien verfügen über verschiedene Mechanismen, um toxische Substanzen u.a. Bioziode zu eliminieren. Dazu zählen z.B. sogenannte zellmembranständige Efflux-Pumpen, die in Abhängigkeit der Konzentration einer toxischen Substanz ihre Zahl in der bakteriellen Zellmembran anpassen können. Ist die Gift-Konzentration hoch, werden mehr dieser Effux-Pumpen benötigt, um die Zelle zu entgiften. Dabei ist es den Efflux-Pumpen egal, welches Gift die Zelle verlässt. Optional werden – wenn nötig – auch Antibiotika hinausgepumpt.
Ein Ergebnis stetig steigender Mengen an Glyphosat gegen resistente Wildkräuter und des Auftretens von Glyphosat in der Nahrungskette ist, dass Umweltbakterien, Darmbakterien und darunter auch verschiedene Krankheitserreger dauerhaft viel Effux-Pumpen zum Überleben vorhalten müssen. Hinzu kommt noch ein zweites Phänomen. Denn unter dem kontinuierlichen starken Glyphosat-Druck (Selektionsdruck) haben die Bakterien einen Vorteil, die genetisch bedingt viel dieser Efflux-Pumpen herstellen, ohne dass sie die Zahl dieser Pumpen Gift- und Konzentration-abhängig hoch regulieren müssen. Diese Anpassung an die Gifte und damit auch an Antibiotika wird bei der Zellteilung vererbt. Diese Bakterien haben auch ohne die Anwesenheit von Glyphosat oder Antibiotika viele Efflux-Pumpen in der Zellmembran und sind somit gut auf antimikrobielle Angriffe durch Gifte und in besonderem Maß auf Antibiotika vorbereitet.
Die richtige Dosierung von Antibiotika ist therapieentscheidend. Nun zeigten Kurenbach et al. (3), dass durch Glyphosat-Konzentrationen, die die Bakterien nicht abtöten, aber die Ausprägung von Efflux-Pumpen fördern, und die so vorbereiteten Bakterien nur mit einer deutlich gesteigerten Antibiotika-Konzentration abgetötet werden.
Standardtherapien mit Antibiotika berücksichtigen a priori das Vorhandensein Glyphosat-induzierter Antibiotikaresistenzen nicht – der Therapieerfolg wird zunehmend zum Glückspiel. Subtherapeutische Antibiotikakonzentration provozieren weitere Antibiotikaresistenzen. Kein Arzt, kein Therapeut ist auf die Situation vorbereitet.
Literatur
1.) „Assessment of the Antibiotic Resistance Effects of Biocides“ Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks, http://ec.europa.eu/health/ph_risk/committees/04_scenihr/docs/scenihr_o_021.pdf
2.) BiozidV EU Nr. 528/2012 vom 1.9.2013, http://www.reach-clp-biozid-helpdesk.de/de/Downloads/CLP-Kompendium/VO_EU_528_2012_nur-Artikel-69-70-und-72.pdf?__blob=publicationFile&v=1
3.) Kurenbach B et al. Sublethal exposure to commercial formulations of the herbicides dicamba, 2,4-dichlorophenoxyacetic acid, and glyphosate cause changes in antibiotic susceptibility in Escherichia coli and Salmonella enterica serovar Typhimurium. MBio. 2015 Mar 24;6(2). pii: e00009-15. doi: 10.1128/mBio.00009-15
4.) Van Bruggen AHC, He MM, Shin K, Mai V, Jeong KC, Finckh MR, Morris JG Jr. Environmental and health effects of the herbicide glyphosate. Sci Total Environ. 2017 Nov 5;616-617:255-268. doi:10.1016/j.scitotenv.2017.10.309.
Danke für diesen Beitrag ! Möge er „weite Kreise ziehen“!
Wenn der Autor und der AGNU-Vorstand zustimmen, sollte der Text inclusive Quellen-Angaben den überregional gegen Glyphosat und Co aktiven Verbänden zugeleitet werden. Davonkennt der AGNU-Vorstand sicher einige und ich möchte keinen bevorzugen oder abwerten, daher nenne ich hier keinen Verband namentlich.
Naturnahe Grüße von einem „ausgewanderten AGNU-Mitglied“ 🙂
Ich habe kein Problem damit, wenn die Zeilen weite Kreise ziehen.
Wenn man auf die Daten der AB-Resistenzentwicklungen (einfach mal etwas durch klicken: http://www.euro.who.int/en/health-topics/disease-prevention/antimicrobial-resistance/multimedia/infographics) schaut ist das Thema hoch brisant. Vor dem Hintergrund, dass wir erst jetzt beginnen zu verstehen, wofür wir die GUTEN Bakterien im Körper brauchen, ist es noch weniger nachzuvollziehen, dass mit AB und Bioziden derartig gezockt wird.
BG
Volker