Raps unter Druck – endlich!
Umweltschutz fängt vor der eigenen Haustür an: Am 13. September sind Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen, kommunale Parlamente und viele Bürgermeister und Landräte werden neu gewählt. Jede*r sollte sich vorab im Klaren sein, welche Parteien oder Einzelpersonen die dringend nötigen Anpassungen im Umweltschutz und beim Erhalt der Artenvielfalt vor unserer Haustür ernsthaft anpacken – und welche nicht! Ohne Hintergrundinformationen kann man die flotten Schlagworte auf den vielen Plakaten aber nicht kritisch hinterfragen. Macht Euch selbst ein Bild!
Der Raps war hier schon öfters Gegenstand von Diskussionen, spätestens seit dem Beitrag „Das Gelbe Leichentuch“ aus dem Jahr 2013. Damals war das Insektensterben noch nicht in aller Munde, und der Klimawandel nicht so direkt erlebbar wie in den vergangenen drei Jahren, die von Dürre und Hitzewellen geprägt waren. Am Raps scheiden sich die Geister, die schöne gelbe Pflanze ist neben dem Mais ein Sinnbild für so ziemlich alles was in der Landwirtschaft schief läuft.
Im Raps wird mit allen Mitteln der konventionellen Agrarindustrie gearbeitet, mit standardmäßigem Einsatz von Insektengift und Unkrautvernichtungsmitteln. Die rasche Zunahme resistenter Schädlinge und sogenannter „Unkräuter“ war die Folge. Der Gebrauch von Ultragiften, den Neonikotinoiden, wurde eingeschränkt oder ganz verboten. Mittlerweile ist der Fachwelt klar dass „die ackerbaulichen und politischen Probleme im Rapsanbau zunehmen“, und fast jeder hat begriffen was sich hinter dem Wort „Pflanzenschutzmittel“ verbirgt: der massive Gifteinsatz in der freien Landschaft.
Man könnte sich jetzt auf die Schulter klopfen und sagen: „Siehste! Haben wir schon vor Jahren gewusst„. Das hilft allerdings nicht weiter, und löst die Probleme nicht. Eine andere Bodenbearbeitung muss her, mit weniger Gift, Dünger und sinnlos vergeudeten Steuergeldern. Heute redet man in Agrar-Profikreisen von Zonierungsversuchen, veränderten Fruchtfolgen und „Grünen Korridoren“, um den Rapsanbau zu retten. Hoffentlich dauert es nicht weitere sieben Jahre, bis sich die gar nicht so neuen neuen Erkenntnisse bei den Landwirten herumsprechen.
Hier folgt eine Pressemitteilung des Thünen-Instituts vom 20. August 2020 zum Thema Raps. Das Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei gehört zum Geschäftsbereich des aktuell von der CDU geführten Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und hat seinen Sitz in Braunschweig. Der dazugehörige Bericht „Challenges and Perspectives in Global Rapeseed Production“ steht auf der agri benchmark Website zum Download zur Verfügung: https://bit.ly/3iEDs5v
Raps unter Druck – besonders in Europa
Raps wirtschaftlich zu produzieren wird in Europa zunehmend schwieriger. Vor diesem Hintergrund hat das Netzwerk agri benchmark Cash Crop jetzt zusammen mit externen Experten und mit finanzieller Unterstützung des Thünen-Instituts einen Bericht über die Herausforderungen und Perspektiven der Rapsproduktion in Deutschland, Frankreich, Polen, Großbritannien, Australien und Kanada veröffentlicht. Erste Ergebnisse wurden auf dem Internationalen Rapskongress 2019 diskutiert, der von der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) ausgerichtet wurde.
Der Bericht enthält einen umfassenden Überblick über alle Fragen des Rapsanbaus sowie über die jeweiligen Alternativen zu den derzeitigen Methoden des Pflanzenschutzes.
In Europa gerät die Wirtschaftlichkeit des Rapsanbaus durch die rasche Zunahme resistenter Schädlinge – vor allem seit dem Verbot eines sehr potenten, aber ökologisch als problematisch eingestuften Insektizids – unter Druck. Hinzu kommen neue Herausforderungen durch Unkrautresistenzen, Düngebeschränkungen sowie schwierige klimatische Bedingungen, die ebenfalls zu Ertragseinbußen geführt haben. Diese Probleme haben dazu geführt, dass die Landwirte den Anteil von Raps in den Fruchtfolgen reduzieren.
Alternativen zu Raps sind in Europa oft wenig profitabel
Allerdings zeigt die Analyse typischer agri benchmark Betriebe, dass andere Blattfrüchte, die den Raps ersetzen könnten, wirtschaftlich in Europa eher schlecht abschneiden: Die Erträge von Raps müssen um mehr als 20 % unter das Durchschnittsniveau von 2016-18 fallen, damit die nächst beste Alternative rentabler wird. Die mit einem verringerten Rapsanbau einhergehenden Gewinn-Einbußen werden von den Landwirten zunehmend in Kauf genommen, weil ein „Weiter so“ mit Fruchtfolgenanteilen von bis zu 33 % als nicht mehr machbar und zu riskant gilt.
Interessanterweise zeigen die agri benchmark Daten, dass sowohl in Kanada als auch in Australien die innerbetriebliche Wettbewerbsfähigkeit von Raps deutlich schwächer ist. Alternative Kulturpflanzen wie zum Beispiel Erbsen wären dort schon profitabler als Raps, wenn die Rapserträge nur um ca. 10 % zurückgehen würden.
Zonierungsversuche und „grüne Korridore“ als Weg in die Zukunft
Auf dem Internationalen Rapskongress wurden auch politische Maßnahmen zur Stabilisierung der Rapsproduktion diskutiert. Eine Option ist die Durchführung eines groß angelegten Zonierungsversuchs, bei dem Raps für mehrere Jahre nicht angebaut wird. Auf diese Weise könnten die Potenziale von erweiterten Fruchtfolgen und einer strengeren Re-Infektionskontrolle beurteilt werden.
Eine weitere Anregung ist, das von der kanadischen Schwesterorganisation der UFOP vorgeschlagene Konzept der „grünen Korridore“ umfassend zu testen: Ist es möglich, die natürlichen Gegenspieler der Rapsschädlinge durch die Einrichtung spezifischer Biotope so zu unterstützen, so dass die Ertragsverluste im Raps signifikant reduziert werden?
Zusammenarbeit und Austausch sind weltweit notwendig
Tom Arthey, Projektkoordinator für agri benchmark, erklärte: „Die Studie liefert einen ersten Schritt zum Verständnis der gemeinsamen Herausforderungen, denen sich zunächst vor allem die europäischen Erzeuger gegenübersehen. Sie zeigt die wirtschaftlichen Auswirkungen, die sich ergeben würden, wenn der Raps aus unseren Produktionssystemen verdrängt würde. Es muss mehr gemeinsame Arbeit geleistet werden, um diese Herausforderungen zu meistern. Während Europa bei diesem Thema an vorderster Front steht, machten unsere australischen und kanadischen Partner deutlich, dass auch dort die ackerbaulichen und politischen Probleme im Rapsanbau zunehmen.“