Alle Jahre wieder – Klagen über Plagen
Das Frühjahr 2014 ist ausgesprochen trocken, die Vegetation im Vergleich zum Vorjahr um etliche Wochen voraus, und das Osterloch in den Medien tut ein übriges: In den letzten Tagen häufen sich die Berichte über angeblich bevorstehende Schädlings-Massenvermehrungen. Wer sich jetzt aber Sorgen über die angeblich bevorstehenden Mäuseplagen oder ähnliches macht, dem sei zur Entspannung geraten. Hier mal eine Einschätzung der wichtigsten sogenannten Schädlinge in der Region, Stand April 2014:
Gespinstmotten
Ich gebe zu, es sieht fürchterlich aus, wie die Traubenkirschen-Gespinstmotten ihre Wirtsbäume zurichten. Kahle, von weißem Gespinst verhängte Geister-Bäume, abgefressen bis auf die Früchte. An einigen Stellen in der Region haben die Raupen von Yponomeuta evonymella (LINNAEUS, 1758) die gesamte Blattmasse ihrer Wirtspflanze in Raupen umgesetzt. Aber erstens hat die Traubenkirsche in der Landschaft praktisch keine wirtschaftliche Bedeutung, und zweitens ist der Spuk auch fast schon wieder vorbei: Massenhaft sind die Gespinstmotten-Raupen momentan auf der Suche nach einem Verpuppungsplatz, und Meisen, Grasmücken und Spatzen wissen gar nicht mehr wohin mit dem Futter.
Da wo reichlich Umsatz ist, sitzen viele mit am Tisch, das ist in der Ökologie nicht anders als in der Wirtschaft. Vögel, Schlupfwespen und Laufkäfer bedienen sich nach Belieben, und in die winzig kleinen weißen Falter mit den schwarzen Pünktchen, die in ein paar Wochen schlüpfen und nachts herumfliegen, nimmt kaum jemand wirklich wahr, außer den Fledermäusen. Die Traubenkirschen erholen sich rasch vom Frühjahrsbefall, in wenigen Wochen ist alles so grün wie zuvor.
Buchsbaumzünsler:
Der Zünsler hat seit seinem ersten Auftreten in Monheim-Baumberg die komplette Fläche des Kreises Mettmann besiedelt und dringt aktuell auch im Raum Wuppertal vor. Befallene Buchsbäume werden vor allem im letzten Raupenstadium stark befressen, und sterben bei massivem Befall am Ende ab. Die Gartenämter rücken mittlerweile vom Buchs als Zierpflanze ab, weil der Aufwand zur Bekämpfung immens und vor allem sinnlos ist: Der Zünsler macht drei Falter-Generationen im Jahr durch, Eier und junge Raupen lassen sich kaum bekämpfen, mal ganz abgesehen davon dass Gift im Hausgarten sowieso nichts verloren hat.
Kleiner und Großer Frostspanner:
Im Garten machen die Raupen beider Arten vor allem im letzten Stadium Löcher in die Blätter, echte Schadensfälle sind mir nicht bekannt. Die Falter fliegen im Winter (November-Dezember), legen ihre Eier an Laubbäume, spätestens Ende Mai sind die Raupen verpuppt, und die Bäume haben Zeit für den sogenannten Johannistrieb: Um den Namenstag des Heiligen Johannes (24. Juni) herum treiben die Laubbäume neue Blätter, als Kompensation für die Fraßschäden. Wie groß die Population der Raupen wird lässt sich nicht vorhersagen, denn die Hauptfeinde der Schmetterlinge sind Schlupfwespen: In manchen Jahren ist ein großer Prozentsatz aller Raupen ist von diesen Parasiten befallen, und entwickelt sich nicht zum Falter.
Wer Vögel im Garten haben will, darf sich über Frostspanner-Raupen nicht ärgern: Für Meisen, Spatzen und fast alle Zugvögel stellen die Frostspannerraupen die Hauptnahrungsquelle für die Jungvögel der ersten Brut dar.
Eichenwickler
Der Eichenwickler ist ein echter Forstschädling, im Rheinland kommt es immer wieder zu Massenvermehrungen und Kahlfraß, gut zu sehen an locker bestandenen Waldrändern, z.B. entlang der Autobahnen im Raum Ratingen / Duisburg. Die Bäume werden dadurch geschwächt, vor allem wenn die nachwachsenden Blätter des Johannistriebs von Eichenmehltau-Pilzen (Microsphaera alphitoides) befallen werden. Gesunde Eichen können aber sogar einen mehrjährigen Befall überdauern, echte Schäden sind selten. Die Bäume haben zwar geringeren Holzzuwachs, aber dadurch steigt z.B. bei dicken Furnier-Eichen der Wert des Holzes, weil die Jahresringe dichter beieinander liegen.
Der Befall mit Eichenwicklern lässt sich anhand der Zahl der Eier, die im Vorjahr gelegt wurden, in etwa voraussehen. Entscheidend ist allerdings immer das Wetter im jeweiligen Jahr, so waren die letzten beiden Frühjahre nass und kühl, größere Frassschäden sind nicht bekannt geworden.
Eichen-Prozessionsspinner (EPS)
Der EPS ist ein kleiner Schmetterling, der zu den Zahnspinnern gehört. Er ist kein typischer Forstschädling, die Wirtsbäume sind durch den Fraß meist nicht gefährdet oder geschädigt.
In der Nähe von Siedlungen und Erholungseinrichtungen werden die Raupen des Eichen-Prozessionsspinners aus gesundheitlich-hygienischen Gründen bekämpft: Die Raupen haben sogenannte Brennhaare, die bei empfindlichen Menschen Pseudoallergien mit starkem Jucken und Quaddeln hervorrufen.
Am Niederrhein kommt es in den letzten Jahren regelmäßig zu Massenvermehrungen. Im Raum Düsseldorf-Mettmann tritt die Art nur in geringer Häufigkeit auf, wird nur punktuell an Straßen und in Ortslagen bekämpft. Im Kreis Mettmann ist der EPS ein seltenes Tier.
Trotzdem tauchen fast alljährlich Pressemitteilungen des Landesbetriebs Straßen NRW auf, in denen die Bevölkerung auf die Bekämpfung des EPS vorbereitet wird. Der Landesbetrieb unterläuft dabei die gängigen Regeln des Pflanzenschutzes im Wald, die Bekämpfung mit dem Wirkstoff Bazillus thuringiensis gilt als Biozideinsatz zur Gefahrenabwehr und unterliegt anderen gesetzlichen Regelungen. Kollateralschäden an anderen, weniger lästigen Bewohnern der Eichen hat der Landesbetrieb bisher locker in Kauf, vor allem bei den großflächigen Hubschrauberspritzungen der vergangen Jahre an der Niederländischen Grenze. Wie sich die Population im Jahr 2014 entwickelt ist noch völlig offen – noch vor wenigen Jahren stand der EPS auf der Roten Liste der schmetterlinge als „ausgestorben“.
Generell gilt bei haarigen Schmetterlingsraupen: Wer nicht genau weiß was er da vor sich hat, sollte mit den Fingern wegbleiben! Nach Kontakt mit EPS-Raupen sollte man alles gründlich mit Wasser abspülen, Kinder sollten rechtzeitig aufgeklärt werden, damit sie nicht mal eben ein Nest voller Raupen im Pullover einsammeln. Ansonsten ist der EPS ein Randproblem, in Südeuropa gibt es noch erheblich aggressivere Raupen (Kiefern-Prozessionsspinner). Wer mal auf einem Campingplatz in Südfrankreich war, kennt die weißen Gespinste in den Bäumen und auch die Raupenprozessionen quer über den Zeltplatz – aufregen tut sich dort allerdings niemand.
Mäuse
Auf Kahlschlägen und in jungen Aufforstungen können Wald- und Rötelmäuse und auch Wühlmäuse in den ersten Jahren starke Populationen aufbauen. Das freut alle Füchse, Dachse, Eulen, Greifvögel, Wiesel, und auch der Neuntöter bedient sich gerne mal am Überfluss. Kahlschläge sind überhaupt aufgrund der offenen Struktur und des Blütenreichtums absolut tolle Lebensräume. Mäuse reagieren wie die Schmetterlinge auf das Wetter, nach nassen Frühjahren gibt es wenige, nach trockenen reichlich.
Das ist aber kein Grund sich Sorgen zu machen, echte wirtschaftliche Schäden kommen praktisch nicht vor. Kahlschläge über 1 Hektar Größe gehören zu den Ausnahmen, werden von der Forstwirtschaft peinlich vermieden – leider.
Im Gegensatz zu den Kurzschwanzmäusen, zu denen Feld- und Schermaus zählen, dürften die Langschwanzmäuse wie z.B. Waldmaus, Gelbhalsmaus und Brandmaus nicht bekämpft werden: sie stehen unter Naturschutz. Viele Mäuse ziehen viele Feinde an: Große Populationen regulieren sich rasch von alleine.
Stechmücken
Bereits im März 2014 hatte ich den ersten Mückenstich. Das lag vor aber allem daran dass ich mein Regenwasserfass schon seit Monaten nicht mehr kontrolliert hatte: Im frostfreien Winter 13/14 konnten sich die Stechmücken dort offensichtlich in aller Ruhe entwickeln.
Mücken-Brutgebiete in Städten sind am häufigsten in üppig gewässerten Blumenübertöpfen zu suchen, nur ganz selten ist es wirklich Nachbars Gartenteich, der die Plagegeister liefert. Die Mückenlarven kommen mit winzigen Wassermengen zurecht, oft reicht schon eine winzige Pfütze oder der Wasserrest in der Gießkanne.
Maikäfer
Wer einen Nutzgarten hat ist von Engerlingen, die allerlei Wurzeln fressen, nicht so begeistert, aber aber wer einen richtigen Maikäfer sieht, kann sich fast schon glücklich schätzen. Das liegt vor allem daran, dass sich die meisten Kinder heute auch am Nachmittag in Ganztagsschulen und -Kindergärten aufhalten, anstatt sich draußen herumzutreiben, wie das frühe üblich war. Der Feld-Maikäfer (Melolontha melolontha) ist hier am Rand des Rheinlandes nicht selten, richtet aber keinen meßbaren wesentlichen Schaden an.
Gartenlaubkäfer
Wer in der Nähe von Wiesen wohnt, kennt die glänzend braunen Käferchen mit dem grünen Halsschild. Gartenlaubkäfer fressen als erwachsene Insekten Blütenblätter von Rosen, die Art fliegt zumindest am Anfang der Vermehrungsphase oft in großer Zahl über Wiesen der Region herum, und vor rein paar Jahren gab es sogar mal so etwas wie einen Schadensfall: Im Eifgenstadion in Wermelskirchen hatten massenweise Käferlarven einen Fußballrasen befallen. Seitdem verkaufen auch die Baumärkte und verschiedene der Region Käferfallen mit sysnthetischen Pheromonen, wohlgemerkt zu Phantasiepreisen. Das ganze ist übrigens reine Geldschneiderei, denn man erwischt mit dsem Pheromon Am besten erfreut man sich an dem lustigen Treiben der kleinen Tierchen, die Flugzeit der Käfer ist kurz, der Schaden im Hausgarten gering.