Forscher fordern Strategie und Maßnahmen gegen Überdüngung
Das betrifft uns ganz direkt: Stickstoffliebende Pflanzen wie Brombeere und Brennnessel nehmen rasant zu, nicht zuletzt in den von uns betreuten Naturschutzgebieten. Gleichzeitig verschwinden artenreiche Wiesen und Wildkräuter im Acker, in Bächen, Teichen und Seen bildet sich Schaum am Ufer oder die Algen blühen.
In vielen Regionen Deutschlands ist in den letzten Jahren die Nitratbelastung im Grundwasser deutlich angestiegen. Der übermäßige Eintrag von reaktivem Stickstoff trägt erheblich zum Verlust von Biodiversität bei. Dabei wirken sich schon sehr geringe Einträge auf manche Arten und Ökosysteme ungünstig aus.
Bestehende und zum Teil rechtlich verbindliche Ziele der Luftreinhaltung, des Gewässerschutzes und des Naturschutzes werden deutlich verfehlt. Die wirtschaftlichen Interessen der Verursacher (Landwirtschaft, Verkehr, Industrie) werden von Politik und Verwaltung stark gegenüber den Umwelt- und Naturschutzinteressen bevorzugt. Zu konstatieren ist ein grundlegendes Umsetzungs- und Vollzugsdefizit. So lautet zusammengefasst das Urteil des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), nachzulesen in einem Sondergutachten, das aktuell Anfang Januar 2015 vorgestellt wurde.
Die Experten fordern eine nationale Stickstoff-Strategie. Neben strengeren Dünge-Regeln wird vorgeschlagen, die verringerte Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte aufzuheben, um die Stickstoffbelastungen durch die intensive Tierhaltung zu mindern. Ferner ist eine Idee, die steuerliche Besserstellung für Diesel-Autos aufzuheben – und die geplante Pkw-Maut stärker am Schadstoffausstoß zu orientieren. „Im Bereich der fossilen Kraftwerke müssen Grenzwerte dringend verschärft werden“, forderte zudem die stellvertretende SRU-Vorsitzende Karin Holm-Müller bei der Vorstellung des 564-seitigen Gutachtens.
Die wichtigsten Forderungen der Wissenschaftler:
- Luftemissionen: Die nationalen Emissionshöchstmengen für Stickstoffoxide und für Ammoniak sollten dringend verschärft werden.
- Luftqualität: Hier ist ist eine weitere Verschärfung der Grenzwerte notwendig, und zwar bei Stickoxyden, Feinstaub und Ozon, in Anlehnung an die Grenzwerte der World Health Organization (WHO).
- Gewässerschutz: Die bestehenden Ziele im Gewässerschutz sind anspruchsvoll, sie werden jedoch eklatant verfehlt. Die in Deutschland zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie geplanten Maßnahmen- und Bewirtschaftungspläne reichen nicht aus, um diese Ziele zu erreichen.
- Biodiversitätsschutz: Langfristig sollen in der EU die Grenzwerte für kritische Einträge (Critical Loads) und die Toleranzwerte (Critical Levels) von Ökosystemen nicht überschritten werden (7. Umweltaktionsprogramm der EU). In der nationalen Biodiversitätsstrategie formuliert die Bundesregierung das anspruchsvolle Ziel, bereits bis 2020 auch die empfindlichen Ökosysteme nachhaltig vor Eutrophierung zu schützen. Es ist absehbar, dass diese Ziele ohne einen schnellen und dauerhaften Politikwechsel verfehlt werden.