Hochpfad wackelt und kippt
Der umstrittene Hochpfad quer übers Neandertal im Bereich der Fundstelle ist vorerst vom Tisch, weil viel zu teuer.
In 20 Metern Höhe übers Neandertal spazieren, dazu noch barrierefrei und mit Bahnanschluss – auf den ersten Blick eine schöne Idee. Aber das Projekt „Erlebnis Neandertal“, vorangetrieben vom alerten Management des Neandertal-Museums mit starker Unterstützung der Kreisverwaltung Mettmann, hatte von Anfang an seine Tücken.
Zur Vorgeschichte: Der Masterplan „Tourismus NRW“ war Teil des unter der Bezeichnung „Ziel 2 NRW“ laufenden Wettbewerbs, mit dem Nordrhein-Westfalen zwischen 2007 und 2013 ca. 1,3 Milliarden Euro Fördermittel aus dem EFRE-Fonds erhalten will, um die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Tourismusbranche weiter zu stärken. Zugleich sollte die Erschließung und Entwicklung des europäischen Naturerbes, gemeint ist damit die Erholung in der Landschaft, gezielt gefördert werden. Wohlgemerkt nur innerhalb der innerhalb der sogenannten „Natura 2000 Gebiete“, den Schutzgebieten nach der FFH-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft.
Strukturförderung im Speckgürtel?
Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) ist übrigens ursprünglich aufgelegt worden um den wirtschaftlichen Aufholprozess der ärmeren Regionen Europas zu fördern – ob damit der Speckgürtel der Region Rhein-Ruhr gemeint war, das sei hier mal dahingestellt, bleiben wir erst mal beim Neandertal.
Der ehrenamtliche Naturschutz in Erkrath und Mettmann ist bei Tourismus-Projekten spätestens seit der Europäischen Gartenschau 2002 „Euroga“ Kummer gewöhnt. Eigentlich läßt der Landschaftplan keine größeren Baumaßnahmen in Naturschutzgebieten zu, aber bei gehörigem politischem Druck geht doch immer was. Da wird dann mal fix an einer Ausnahmegenehmigung gebastelt, gerade wie es den Projektentwicklern so passt. Ein schönes Beispiel dafür war der Skulpturenpfad „MenschenSpuren“ im Rahmen der EUROGA 2002plus, mit allerlei Installationen mitten im Bachbett der Düssel. Das Neandertal wird schon jetzt von Besuchern überflutet, warum also noch weitere anlocken?
Und so war auch der als „kulturtouristisches Highlight“ verkaufte Neanderhochpfad von Anfang an heftig umstritten Er sollte das Museum und die Fundstelle über einen Steg von circa 600 Metern Länge, 2 Metern Breite und in bis zu 28 Metern Höhe über dem Talgrund verbinden, getragen von 19 Betonpfeilern. Die Projektgemeinschaft bestehend aus dem Kreis Mettmann, der Stiftung Neanderthal Museum sowie der beiden Städte Mettmann und Erkrath hatte für das Neandertal den „größten Fisch“ seit langem an Land gezogen. Knapp 6 Mio. EUR sollten bis Ende 2013 in den Ausbau des Tales gesteckt werden. Der ehrenamtliche Naturschutz stand dem Projekt eher skeptisch gegenüber, die Politik war gespalten.
Größere Bauarbeiten im streng geschützten FFH-Gebiet erfordern gründliche Voruntersuchungen und einiges an ökologischen Ausgleichsmaßnahmen. Aber das eigentliche Problem lag woanders: Die Beantragung von EU-Geldern ist mit der Bändigung einer bürokratischen Hydra vergleichbar, und der Masterplan Neandertal machte dabei keine Ausnahme. Informationsveranstaltungen gabs en masse, Hochglanzbroschüren, Voruntersuchungen, Lenkungskreise, Abstimmungstermine, die Kreisverwaltung war beschäftigt, der Landrat machte Druck.
Mitte Dezember 2012 stellten die Projektentwickler dann endlich fest, dass ein stabiler, sturmsicherer Brückenschlag über das Tal ein Vielfaches der ursprünglich angedachten Kosten verursacht hätte. Und beim Umfang der Baumaßnahmen hätte die Baumaßnahme nach europäischem Recht ausgeschrieben werden müssen. Und das hätte länger gedauert als das Förderverfahren nach „Ziel 2“ vorsieht. Denn der Hauptgrund weshalb das Projekt so gepusht wurde war natürlich das billige Fördergeld des EFRE-Strukturfonds aus Brüssel – der Kreis und die beteiligten Städte müssen derzeit jeden Cent dreimal umdrehen. Europa hatte sich beim Versuch Geld ausgeben sozusagen selbst zu Fall gebracht, die ökologischen Bedenken spielten dabei nur eine geringe Rolle.
In einem erneuten Sitzungsmarathon wurde das Projekt zurückgefahren, und am Ende stimmte sogar der Kreistag fast geschlossen für die abgespeckte Variante. Jetzt muss neu überlegt werden, vorerst ist die Projektidee ziemlich hastig auf zwei Aussichtstürme am Bahnhof Neandertal und im Bereich der Fundstelle zurückgestutzt worden. Die Lokalpresse hat darüber ausführlich berichtet und schreibt unter anderem vom Aus für das „Luftschloss“ .
Momentan ist an der Fundstelle des berühmten Keulenschwingers eine zwar preisgekönte, aber ziemlich esoterische Konstruktion aus visuellen Bausteinen wie Steinkreuzen und Zeitachsen zu sehen, die bei den wenigen Besuchern zumeist Stirnrunzeln hervorruft. Hier soll dann zukünftig der sogenannte „Neanderviewer“ mit Aussichtsplattform Abhilfe schaffen, multimedial und in 3D. Entwürfe dazu gibt es noch keine – alles ist noch virtuell.
Wer noch keine Meinung zu dem Gesamtprojekt Masterplan Neandertal insgesamt hat: Chancen für den Naturschutz gibt es durchaus: Die Flora und Fauna an der Nahtstelle zwischen Rheinland und Bergischen Höhen ist sehr artenreich, neben einem spektakulären Schluchtwald an der nordexponierten Talseite (ehem. Fraunhofer Steinbruch) leben auf der sonnenexponierten Talseite (Laubacher Bruch) Zauneidechse und andere wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten, bedrängt vom rasch vordringenden Pionierwald. Hier bieten sich reichlich Möglichkeiten zur Vernetzung mit den von der AGNU betreuten Steinbrüchen im oberen Düsseltal, zum Beispiel Grube 7 oder Grube 10. Auf den Hochpfad und andere wilde Baumaßnahmen im Neandertal können die meisten ehrenamtlich tätigen Naturschützer wohl gut verzichten.