Anlieger und Parken frei
Beobachtungen auf dem Parkplatz Kellertor im Außenbereich der sogenannten „Gartenstadt“ Haan, an einem normalen Durchschnitts-Mittwoch im Frühling. Die Wanderparkplätze im Außenbereich der stadt entwickeln sich zu einer Mischung aus
Müllhalde, Hundeklo und Gewerbegebiet.
Ein Mensch steht am Rande einer Wiese, von weitem erkennt man nur seine Silhouette, er bewegt der oberkörper schwankend, macht einen Schritt zur Seite, noch einen, bleibt wieder stehen, wiegt den Oberkörper wieder hin und her. Man erkennt sie schon von weitem, die besonders gehetzten Hundebesitzer in der Nähe der Autobahn: Während der Hund auf der Wiese herumrennt und seinen Kackhaufen absetzt, steht der Besitzer bei seinem Wagen, mit dem Handy am Ohr, und unterhält sich seelenruhig in voller Lautstärke mit irgendwem.
Der bulgarische Lastwagenfahrer, der gestern abend seinen Riesen-LKW mitten in die Zufahrt geparkt hatte, pennt immer noch in seiner Kabine. Der Mann vom Erdbeerstand ist noch nicht eingetroffen, er kommt erst um neun Uhr, wäre aber
wahrscheinlich nicht so begeistert zu sehen wie ein von erwachsener Mensch in aller Seelenruhe hinter sein Erdbeerhäuschen pinkelt. Dort wo jetzt der LKW steht, war vor ein paar Jahren noch das Straßenschild „Spörkelnbruch“ und „Anlieger frei“. Das wurde in einem Jahr dreimal umgefahren, und danach nicht mehr erneuert. Seitdem das straßenschild fehlt irren die Paketdienste auf der Suche nach den Bestellern mit dem Kleinlaster auch schon mal ziellos durch den Stadtwald.
Heute steht an der Hauptstraße nur noch ein Schild „Anlieger und parken frei“, wer also keine Anliegen hat kann frei parken, oder was??
Ein Rentner parkt seinen Wagen mitten auf der Straße, öffnet den Kofferraum, und entsorgt in aller Ruhe etliche Kartons mit leeren Flaschen schwungvoll in die Altglascontainer. Wenn der Bulgare jetzt noch pennt ist er sicher taub oder benutzt Ohrenstöpsel. Ein Anlieger kommt mit seinem Auto aus Richtung Gartensiedlung, der Opa holt einen weiteren Karton Flaschen aus dem Fond, schaut ungläubig auf den Autofahrer, der aus der Anliegerstraße heraus will. Nach kurzer Diskussion bequemt er sich gnädigerweise, sein Auto ein paar Meter weiter abzustellen und die Durchfahrt frei zu machen.
Eine Joggerin mit Hund trabt vor der Fußgängerampel auf der Stelle, nach gefühlten zwei Minuten springt die Ampel endlich auf „grün“. Und wie so oft rauschen eben noch zwei Autos vor ihren Füßen über den Zebrastreifen, nach dem Motto: kein
Polizeiauto zu sehen, also schnell noch mal Gas geben und drüber! Von wegen 50 Stundenkilometer, hier wird vor der Autobahn schon mal ordentlich Schwung geholt, die Fußgänger werden schon stehen bleiben wenn ihnen ihr Leben lieb ist.
Ein paar Stunden später, der Kreuzungsbereich zur Flurstraße hat sich belebt, drei Kleinwagen aus aus Bochum, die stehen mindestens einmal in der Woche dort stundenlang, verticken Autokennzeichen. Warum sie das nicht auf dem Parkplatz
machen, sondern mitten auf der Kreuzung, bleibt rätselhaft. Neben dem Altglascontainer stehen ein paar Tüten mit undefinierbarem Müll und ein paar größere Glasscheiben, die wird schon irgendjemand abtransportieren.
In der Böschung hinter dem Container kriechen zwei bunt gekleidete Fahrradfahrer herum: So schwer ist der Geo-Cache unter der Robinie doch gar nicht zu finden, führt doch schon ein fester Trampelpfad dahin.
Auf der Wiese nebenan tummelt sich eine Hundeschule mit mehreren Damen. Die haben bestimmt noch nie etwas davon gehört dass sie auf landwirtschaftlich genutzten Flächen aber auch garnichts verloren haben. Bewaffnet mit Trillerpfeifen,
Fähnchen, Stöckchen und Hundekuchen trampeln sie fröhlich auf der Wiese herum, einer der Vierbeiner hat auf die Lehrstunde keine Lust, hat sich zur Abwechslung ein tiefes Loch in die Wiese gebuddelt. Ein paar Meter weiter steht wieder so ein Herr, mit der typischen schwankenden Körperhaltung neben seinem Wagen mit offener Kofferraumklappe, während sein bester Freund einen dicken Haufen mitten auf die Heuwiese setzt.
Zwei Reiter nutzen den Trampelpfad über die Wiese als Abkürzung, trotten über die Ampel an der Flurstraße. Beide verschwinden im Hühnerbachtal, ohne sich an dem „Reiten verboten“ Schild auch nur im Geringsten zu stören.
Die Verkehrsinsel unter der Eiche an der Kreuzung war vor ein paar Jahren noch ein schönes Biotop, dort wuchs sogar die Zypressenwolfsmilch, der Fundort steht schon in der „Flora des Kreises Mettmann“. Und auf der Zypressenwolfsmilch gab es sogar den Wolfsmilchschwärmer, der ist in diesem Jahr zwar „Schmetterling des Jahres“, aber momentan irgendwo anders, jedenfalls nicht am Kellertor. Momentan parken auf der Grünfläche zwei Hausfrauen, die Erdbeeren kaufen – auch denen waren die fünf Meter vom Parkplatz bis zum Verkaufsstand offenbar zu weit.
So geht das tagein, tagaus, im Winter kommt ein Weihnachtsbaumstand, im Sommer die Erdbeeren und Spargel, das Kleingewerbe im Landschaftsschutzgebiet (!) nimmt ständig zu, Glascontainer, Schucontainer, Kleidercontainer, sit neuestem steht schon ein Dixi-Klo hinter dem erdbeerstand. Die Anwohner resignieren oder reagieren genervt: Wer hat schon Lust sich täglich mit indolenten Hundebesitzern oder gar LKW-Fahrern anzulegen?
Ein paar dicke Steine, die die Grünflächen schützen, eine Barriere um den Wanderparkplatz, und ab und zu mal das Ordnungsamt, das die Leute von der Wiese herunterholt – das würde ich mir wünschen. Und so owie beschrieben geht es vielen die im Außenbereich wohnen, der Trubel und Dreck wird immer mehr, die Leute immer dreister.
Und wenn man sich beschwert passiert – nix. Oder doch? Nach dem ich vor ein paar wochen einmal das Meckerformular der Stadt Haan ausgefüllt hatte, stand doch glatt am nächsten Tag ein freundlicher Mitarbeiter des Ordnungsamts am Kellertor. Leider war zu dem Zeitpunkt – Mittags um drei – mal ausnahmsweise niemand zu sehen, der die Kreuzung verstopft, und die Hundeschule gerade im stadtwald verschwunden. Und so hörte er sich geduldig mein Gejammer an, berichtete über seinen Überstundenberg, verabschiedete sich nach einer halben Stunde. Passiert ist seitdem – eben nix.